02 Dezember 2013

Schutz oder Selbstbestimmung? Denk beides.

Alle reden und schreiben sie über Prostitution und Verbote. In Deutschland appelliert Alice Schwarzer gegen Prostitution, in Schweden drohen Freiern Freiheitsstrafen, in Frankreich soll deren Geld in Bussen statt in Sex investiert werden und in Deutschland will die grosse Koalition das Gewerbe regulieren. Achja, natürlich wollen sich auch die Schweizer Politikerinnen und Politiker dem Thema annehmen.




Und es gibt die anderen

Und ich bin hin und her gerissen. Ich finde, Männer und Frauen gehören nicht ausgebeutet. Und ich finde auch, Männer und Frauen sollen nicht bevormundet werden. Es gibt also jene, die wollen "die armen Frauen schützen" (indem sie ihnen ihre Existenzgrundlage verbieten wollen). Und es gibt die anderen, die der festen Überzeugung sind, dass Prostituierte ausnahmslos freiwillig - möglicherweise nur aus Freude am zwischenkörperlichen Kontakt - für Geld Sex haben wollen, und man ihnen auf keinen Fall ihr Gewerbe - und ihren Spass - verbieten soll (sondern alles so belassen, wies ist). "Schutz" prallt auf "Selbstbestimmung", "Unfreiheit" auf "Promiskuität mit finanziellen Vorzügen"

Freiwillig f***

Ich bin natürlich für eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen soviel des Interkörperlichen haben können, wie ihnen beliebt. Und ich bin auch dafür, dass die Gesellschaft Rahmenbedingungen hervorbringen muss, in denen jeglicher Sex freiwillig und niemand in der Not sein sollte, sich für diesen bezahlen lassen zu müssen. Dass kein Mann und keine Frau in die Situation gerät, nach dem letzten Hemd auch die Hose ausziehen zu müssen, um sich die Existenz zu sichern, oder die seiner oder ihrer Kinder.

Selbstbestimmung 2.0

Aber wir leben also nicht in einer solchen Gesellschaft. Und deshalb bin ich dafür, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, die es jenen Frauen und Männern ermöglichen, ihr Einkommen in anständiger Weise (sic!) erwerben können. Menschenwürdige Arbeitsorte, Altersvorsorge und Unfallversicherung müssen möglich sein. Selbstbestimmung schliesst dann Schutz nicht aus.

Ich bin deshalb weder fürs Belassen, wies ist, noch fürs Verbieten sondern fürs Verbessern der Lebensbedingungen jener Männer und Frauen, deren einziges Kapital ihr Körper ist. Und nebenher flicken (mit L!) wir an einer Gesellschaft weiter, in der Sex freiwillig und spasseshalber und statt funktional be(ge)trieben wird.



lese:
* Prostitution: Not a job, not a choice - A talk by Janice Raymond. 2.12.2013
* Debatte über Prostitutionsverbot Gegen den Strich,  Reiner Burger und Rüdiger Soldt 01.12.2013 
* Mit Philosophie gegen Prostitution. Eine Analyse, Oliver Meiler. 30.11.2013
* «Meine Arbeit gefällt mir», Franziska Laur und Denise Muchenberger. 29.11.2013 
* Von käuflichem Sex und Drogen, Meret Steiger. 29.11.2013 
* Das Prostitutionsverbot, Réda Philippe El Arbi. 19.11.2013
* Mit Prostitutionsverbot auf dem Holzweg, Felix Schindler. 18.11.2013
* 43 Nationalräte wollen Prostitutionsverbot, (rub). 17.11.2013
* Prostitution abschaffen? Iris Radisch und Anna-Katharina Meßmer. 6.11.2013
* Stärkung der rechtlichen Stellung von Sexarbeitenden. 13.3332 – Postulat, Andrea Caroni. 17.04.2013
* Prostitution ist nicht sittenwidrig. 12.317 – Standesinitiative, Bern. 12.09.2012