Lachen
Der Akt des Lachens wird mit Fröhlichkeit verbunden. Geradezu zwiespältig präsentiert er sich jedoch bei genauerem Betrachten.
GLUCKSEND ODER BRÜLLEND, schallend oder hinter vorgehaltener Hand, die Hände auf die Schenkel klopfend oder über dem Kopf zusammenschlagend, ruckartig ausatmend oder mit bewegungslos aufgerissenem Gebiss, leise zischend oder inbrünstig schreiend − das Zähneblecken kennt viele Formen. Keiner, der es nicht kennt, liebt und zuweilen unterdrückt. «Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag», wusste schon der schauspielende Komiker Charlie Chaplin.
ALLER HEITERKEIT ZUM TROTZ, das Lachen ist zweifelsohne eine ganz zwiespältige Sache. Dieser menschliche, überall anzutreffende Akt, im Übrigen nichts weiter als eine Atmungsbewegung bei welcher das Ausatmen in mehreren schnell hintereinander folgenden Stössen unter mehr oder weniger starkem Schall ausgeführt wird und die mit dem Zusammenziehen der mimischen Gesichtsmuskeln verbunden ist (einem Verbreitern der Mundspalte sowie dem Heben der Mundwinkel), dieser Akt des Lachens birgt jeweils zwei Seiten. Ist das Gelächter in der Gemeinschaft oftmals viel ausgedehnter und intensiver, erlebt sich das Lächeln beim Alleinsein, sollte es in der Einsamkeit dazu kommen, viel purer, in kurzem, konzentriertem Masse. Dann ist es eine Überrumpelung des Istzustandes, ein Streifschlag des Humors, ein Aufbäumen der trotzigen Freude im Weltenernst − möglicherweise nur ein plötzliches Ausschnaufen durch die Nase. Ein echtes Lachen verschwindet übrigens nicht in Nullkommanichts. Ist es ein aufrichtiges, herzliches, dann bildet es sich nur ganz unmerklich bedächtig zurück. Aus dem Lachen wird ein Lächeln, ein Schmunzeln, die Fältchen um die Augen verschwinden ganz zu letzt − und nach einem hohen Quantum an Lachern verschwinden diese dann nicht mehr.
IST DAS LACHEN in der Gesellschaft aufbrausend fröhlich, nimmt es dort ausserdem eine sehr wichtige Funktion wahr. Als Kultur übergreifend anerkannter Ausdruck von Sympathie hat es eine besänftigende und konfliktbegrenzende Wirkung. Drohende soziale Konflikte vermag es, richtig eingesetzt, abzuwehren und lässt die Situation zuweilen in gegenseitiges Einverständnis münden. In seiner ambivalenten Eigenart weiss das Lachen aber auch zu schaden. Hämisches Auslachen und drohendes Grinsen demütigen die vom Hohn und Spott Angegriffenen zu tiefst. Die verletzte Ehre hinterlässt Narben, trübt die eigene Freude, lässt einen verbittert zurück. Die Wahrscheinlichkeit, selber einmal zerstörerischer Widersacher zu werden, wächst mit jedem auf sich gerichteten Angriff von Hohngelächter.
SO EINSCHÜCHTERND LACHEN also sein kann, so hinterlistig offenbart es auch die Schüchternheit seines Trägers. Nervöses Gekicher entspringt nicht der Freude oder der Heiterkeit. Vielmehr soll es Panik und Stress verbergen. Erfolglos. Das zwanghafte, lähmende Lachen, das dem Leidenden den zu erwartenden Schmerz geradezu ins grinsend verzerrte Gesicht zeichnet, lässt den Angsterfüllten umso verwundbarer erscheinen. Auch bietet ein überfordertes, kapitulierendes Lachen keine Lösung des Problems, vielmehr bedeutet es geradezu einen Sieg des Körpers über die Macht des sonst dominierenden Verstandes.
OB ALLEN FACETTEN DES LACHENS, es erscheint doch lächerlich, die verwerflichen, schlechten Seiten dieses menschlichen Aktes mit seinen makellosen, feinen Teilen auf eine Waage zu legen und zu erwarten, diese würde waagrecht bleiben.